Stellungnahme zum Baugebiet Rautheim Möncheberg

Die Stadtverwaltung schlägt vor, westlich von Rautheim ein Wohngebiet mit ca. 800 Wohneinheiten zu entwickeln.[1] Angesichts der Klimakrise lehnt Fridays for Future Braunschweig dieses Baugebiet aus den folgenden Gründen ab:

    1. Das Baugebiet bedeutet, dass etwa 33,5 Hektar Ackerland versiegelt werden. Doch es ist notwendig, die Flächenversiegelung gerade von Ackerflächen mit hoher Bodenqualität wie im Süden von Braunschweig zu stoppen.
    2. Für den Bau werden Handwerkskapazitäten benötigt, die wir eigentlich dringend brauchen, um den Gebäudebestand energetisch zu sanieren. Ebenso werden Verwaltungskapazitäten gebunden, die wir dringend benötigen, um den Umbau von Braunschweig zu einer klimaneutralen Stadt zu organisieren.
    3. Die Treibhausgasemissionen beim Bauen selbst sind hoch. Global ist der Bausektor für 40% der Treibhausgasemissionen und sogar 70% des  Ressourcenverbrauchs verantwortlich.[2]

Neubaugebiete sind grundsätzlich weder nachhaltig noch klimafreundlich. Und es gibt andere Möglichkeiten, das Problem Wohnraumknappheit zu lösen. Wir schlagen vor, durch effizientere Flächennutzung den Pro-Kopf-Wohnraum zu reduzieren. Die Stadt kann dies unterstützen, indem Sie Wohnungstauschprogramme startet und gemeinschaftlich genutzte Wohnflächen fördert.

Falls der Stadt der Neubau von Wohnungen wichtiger ist als die Bekämpfung der Klimakrise, sollten auf den über 30 Hektar Ackerland nicht nur 800 Wohneinheiten Platz finden. Zum Vergleich: Im Stadtviertel Freiburg Vauban, das Ende der 90er Jahre entstanden ist, keine Hochhäuser enthält und trotzdem einen hohen Grünflächenanteil hat, leben auf 38 ha Fläche 2336 Haushalte. Bei gleicher Dichte könnten ca. 2060 Wohneinheiten entstehen, womit die Stadt die Wohnraumknappheit sehr viel wirkungsvoller bekämpfen würde. Durch den Bau von „Tiny Flats“ wie im Klimaschutzkonzept vorgesehen, könnte die städtebauliche Dichte weiter erhöht werden.  Das heißt: Es würden weniger Baugebiete benötigt und die Flächenversiegelung, der Bedarf an Handwerker*innen und der Ressourcenverbrauch würden in Zukunft etwas sinken.

Damit zumindest ein vergleichsweise umwelt- und klimafreundliches Baugebiet entsteht, fordern wir, dass zusätzlich folgende Mindeststandards erfüllt werden:

    1. Nutzungsmischung und kurze Wege: Indem Nahversorgungseinrichtungen, Kleingewerbe, Arztpraxen, Schulen, Kitas, kulturelle Einrichtungen, ein Sportverein, weitere Geschäfte und Büroräume direkt im Quartier untergebracht werden, können die meisten Wege des Alltags problemlos zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Aufgrund der zentralen Lage zwischen der Südstadt, Mascherode, Rautheim und der Lindenbergsiedlung mit insgesamt knapp 14 000 Einwohner*innen[3] bietet es sich hier sogar an, eine Infrastruktur vergleichbar mit der eines Mittelzentrums zu schaffen. Damit können auch die Bewohner:innen der benachbarten Stadtteile mehr mit dem Fahrrad erledigen.
    2. Gute Anbindung an den Umweltverbund: Dieser Aspekt wird bereits durch die Fahrradveloroute und die Stadtbahnanbindung berücksichtigt. Wichtig ist es, dass die Infrastruktur schon vor dem Bezug der Wohnungen fertig ist, denn Menschen ändern ihre Gewohnheiten leichter bei einem Umzug. Außerdem könnte überlegt werden, ob auch der Westen des Quartiers durch eine zusätzliche Stadtbahnstrecke über die Lindenbergsiedlung und weiter nach Mascherode oder in die Südstadt an den ÖPNV angebunden werden kann. Falls dazu eine Brücke über den Güterbahnhof gebaut wird, könnte sich auch die Anbindung mit dem Rad an die Innenstadt erheblich verbessern.
    3. Autofreiheit: Da das Quartier nach 1) so gebaut ist, dass die meisten Menschen im Alltag kein Auto benötigen, kann mit einem mit Freiburg-Vauban vergleichbaren Verkehrskonzept die Anzahl der Autos pro Einwohner*in deutlich reduziert werden. Innerhalb sollte es keine Stellplätze geben, am Rand könnten Pkw in Quartiersparkhäusern mit hohen Einwohnerparkgebühren untergebracht werden. Wichtig ist, dass Parkverbote kontrolliert werden.
    4. Nachhaltige Baumaterialien: Beispielsweise können Holz, Lehm oder recycelte Baustoffe statt konventionellem Beton eingesetzt werden.
    5. Klimaanpassung und Grünflächen: Um das Quartier abzukühlen und den Eingriff in die Natur zu begrenzen, muss das Baugebiet mit naturnahen Grünanlagen durchzogen werden. Außerdem können die Gebäude mit Vorgärten, Verschattung, Dach- und Fassadenbegrünung etwas gekühlt werden. Wichtig ist zum Schutz vor Starkregen, dass Regenwasser unmittelbar vor Ort versickern kann.
    6. Erneuerbare Energien: Auf allen geeigneten Dachflächen sollten Photovoltaik-Anlagen installiert werden. Die Gebäude müssen für die optimale Nutzung von Sonnenenergie geplant werden (solare Bauweise). Darüber hinaus benötigt das Quartier ein nachhaltiges Wärmekonzept, das die Gebäude klimaneutral und energiesparsam mit Wärme und eventuell auch mit Kälte versorgt. Eine Idee könnte ein Nahwärmenetz mit Eisspeicher sein. Die Stadt soll mindestens anstreben, dass das Quartier energetisch unabhängig wird.

Um alle Anforderungen an möglichst klimaschonende Baugebiete umsetzen zu können, ist es möglicherweise notwendig, dass die Stadt 100% der Fläche vorher erwirbt.

Trotzdem ist es angesichts der Klimakrise richtig, auf dieses Baugebiet zu verzichten. Es ist aber zumindest weniger falsch, wenn alle hier genannten Aspekte berücksichtigt werden.

[1] Stadt Braunschweig: Rautheim-Möncheberg: Gebiet mit Potenzial für 800 Wohneinheiten. Online unter https://www.braunschweig.de/politik_verwaltung/nachrichten/rautheim-moencheberg.php (04.10.2022).

[2] Vgl.: Joachim Wille: Bäume statt Beton. In: Frankfurter Rundschau vom 24. / 25. September 2022.

[3] Vgl.: Stadt Braunschweig: Einwohnerzahlen nach Stadtbezirken. Online unter https://www.braunschweig.de/politik_verwaltung/statistik/ez_stadtbezirke.php (04.10.2022).